Dienstag, 5. November 2019

Ein kleiner Einblick in mein depressives Denkmuster

Triggerwarnung: Depression, Suizidgedanken



Ich habe alle alten Beiträge auf privat gestellt. Vor langer Zeit schon. Ich werde sie vermutlich früher oder später löschen. Weil sie einfach aus einer anderen Zeit zu stammen scheinen. Ich mag aber den Namen des Blogs, also bleibt er bestehen und wenn er schonmal da ist, dann kann ich ihn auch nutzen. Also, auf ein Neues. 

Ein Einblick in meinen Kopf also...

Warum? Weil es mir hilft meine Gedanken, meine Gefühle auszuformulieren und nach außen zu tragen. Zumindest manchmal.
Und es soll ja tatsächlich Leute geben, die sowas interessiert.

Aktuell befinde ich mich in einer tiefen depressiven Phase.
Die schlimmste und tiefste depressive Episode seit Jahren.

In dieser Phase gibt es meinen Kopf… meine Gedanken… im Grunde in 2 verschiedenen Formen.

Die 1. ist die Laute.
Nicht ich bin laut. Sondern in meinem Kopf ist es laut. Ich höre keine Stimmen in klassischen Sinnen, ich bin nicht Schizophren. Trotzdem beschreibe ich das als Stimmen in meinen Kopf. Es fühlt sich so an als wäre es laut in meinen Kopf. Da ist Etwas das auf mich einredet. Dieses Etwas sind genau genommen sehr viele Etwase. Wie gesagt, keine Stimmen im klassischen Sinne. Es sind Gedanken und auch wenn sie sich oft fremd anfühlen (und in meinen Kopf auch immer männlich klingen), so weiß ich durchaus, dass es meine eigenen Gedanken sind. Sie plappern unentwegt auf mich auf ein und im Grunde haben sie nichts Gutes zu sagen.

Dieser Lärm in meinen Kopf macht mich an manchen Tagen wirklich wahnsinnig. Das ist kein Dauerzustand. Wenn es mir gut geht, dann ist auch in meinen Kopf alles normal. Dann kann ich meine Gedanken bündeln, sie klar formulieren, abwägen und sie abstellen. Also jedenfalls den Teil den ich aktiv wahrnehme.

Wenn die Depression immer stärker wird, dann verliere ich diese Kontrolle. Sie werden wirsch, laut, unstrukturiert. Kurz: Belastend. Ich kann sie nicht sortieren, ich kann sie nicht zum schweigen bringen und ich kann sie auch nicht ausblenden. Ich weiß das es meine Gedanken sind. Die, die ich normalerweise nicht ausspreche, die die ich normalerweise nicht zulassen will und auch die, von denen ich weiß das sie falsch sind. Doch sie fühlen sich fremd an. Als kämen sie von außerhalb. In dieser Phase kommen die ersten zaghaften Suizidgedanken.

Der Lärm kommt nicht von heute auf morgen. Schon bei kleineren Down Phasen (die ich regelmäßig habe) kommen die ersten, sanften Stimmen. Es ist dann auch kein dauerndes Geplapper, sondern es sind hier und da ein paar bissige Kommentare in meinen Kopf, die nur für mich bestimmt sind. Ehrlich gesagt kommt das so oft vor, das ich es inzwischen fast als normal Zustand akzeptiert habe. Als Depressiver bin ich eben selbst mein größter Feind.

Im laufe der Zeit einer depressiven Phase werden es mehr. Es kann Wochen oder Monate dauern bis aus den vereinzelnten Kommentaren in meinen Kopf ein belastender Lärm wird und oft kommt es nicht so weit. Häufig werden die bissigen Kommentare mehr, es fängt an lästig zu werden und dann, dann wird es weniger. Es schwillt wieder ab, ich kann es ausblenden, ignorieren.
Oder aber es wird schlimmer. Dann folgt die 2. Form.

Die 2. Form ist die Stille.
Keine angenehme Ruhe. Sondern absolute Stille ich meinen Kopf. Wo vorher noch überall Stimmen, Gedanken und Gefühle waren, ist nun nichts mehr. Es ist still. Erschreckend still. Ich fühle nichts mehr. Alles um mich herum ist wie in Watte gepackt. Das betrifft nicht nur meine Gedanken, auch die Farben um mich herum… die Welt ist plötzlich so grau und farblos… die Geräusche… alles ist so gedämpft, als wäre es weit weg. Es fühlt sich an als wäre man ganz allein. Alles ist mir dann egal.

Ich habe heute noch nichts gegessen? Egal.
Ich habe seit 2 Wochen nicht geduscht? Egal.

In dieser Phase interessiert mich dann auch nicht mehr ob ich meine Medikamente heute schon genommen habe oder nicht. Oder ob ich sie gestern genommen habe. Habe ich sie diese Woche überhaupt schon genommen? Ach.. egal. Die Stille in meinen Kopf ist nicht so absolut wie sie sich anfühlt. Da sind Gedanken. Nur noch ein klarer Gedanke der sich immer im Kreis dreht. Jede Kleinigkeit wird „zerdenkt“ bis ich vergessen habe worum es eigentlich ging.

Auch die Suizidgedanken sind nun sehr zentral. Sie sind klar in meinen Kopf formuliert. Von der „ich will nicht mehr Leben“ Phase wechselt es sehr schnell zu einer konkreten Planung. Wie? Wo? Wann? Was brauche ich? Was muss ich beachten? Das sind keine neuen Gedanken. Eigentlich ist der „Plan“ schon seit vielen Jahren in meinen Kopf gespeichert. Ich habe mich schon vor langer Zeit entschieden wie, wann, wo etc. Aber auch diese Planung wird dann immer und immer wieder durchgekaut. Der Gedanke ist klar formuliert, aber es dreht sich im Kreis. Immer und Immer wieder. Oft tue ich gar nichts anderes als nachdenken. Dabei sitze ich auf den Sofa oder liege im Bett und trotzdem fühle ich mich am ende des Tages völlig geschafft. Ich bin am Ende meiner Kräfte. Dieses zerdenken von allen ist unglaublich anstrengend, so erschöpfend.

Aktuell befinde ich mich noch in der 1. Phase. Aber ich spüre bereits wie es in die 2. Phase übergeht. Wie aus dem Lärm langsam immer mal wieder Stille wird. Nur für ein paar Stunden, bevor es dann wieder laut wird. Aber trotzdem kann ich nichts tun. Ich fühle mich wie ein gefangener meiner Selbst. Als wäre ich ein unbeteiligter Zuschauer der sich das ganze anschaut. Und selbst das zuschauen kostet einfach soviel Kraft. Mal sehen wann die Stille länger als nur für ein paar Stunden pro Tag bleibt.

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